Andreas Seltzer
Die Reise um mein Zimmer
17. Juli 2009 – 22. August 2009
verlängert vom 16. 9. – 27. 9. 2009
Mi. – Sa.: 14°° – 19°° Uhr
Eröffnung:
Do., 16. Juli, 19 - 21 Uhr
Der Titel dieser Ausstellung nimmt Bezug auf einen Essay von Xavier de Maistre (1763 – 1852). Er ist um das Jahr 1790 entstanden, als de Maistre, als savoyardischer Offizier, in Turin unter Hausarrest stand. In den zweiundvierzig Tagen seines Eingeschlossenseins beginnt de Maistre sein Quartier zu erkunden: den Tisch, das Bett, den Stuhl, den Spiegel, die Hauskleidung, die Bilder an der Wand … Er wandert von einem zum anderen, nicht wie ein Gefangener, sondern wie ein staunender Gutachter, dem erst die Isolation Gelegenheit gibt, sich über die Dinge Gedanken zu machen.
In Andreas Seltzers Ausstellung geht es ebenfalls um den Blick auf die Dinge des Wohnens. Allerdings ist dieser Blick, anders als der de Maistres, von dem Bewußtsein geprägt, dass die Bedeutung der Dinge sich in dem Maße ändert, in dem sie dem alltäglichen Nutzen zugeführt werden. Der erste, frische Blick, die Entdeckerfreude de Maistres, werden von Routine überlagert, die die Dinge zu Sklaven der Gewohnheiten macht. Um diesen Prozeß geht es hier: Thema der Zeichnungen, Fotos und Objekte von Andreas Seltzer ist, wie jene Gewohnheiten neue Allianzen zwischen den Dingen bilden, ihnen Kontur nehmen und sie miteinander vermischen.
Mit seiner Methode der assoziativen Kartierung fügt er Raumberechnungen und Schrittaufzeichnungen zusammen, zeigt Bilder vom Auf- und Abschließen, vom „Faserland“ der Schränke und von Flecken und Rissen. Es gibt Endoskopien von Nähkästen, Aufnahmen von toten Winkeln, zerwühlten Betten und Fußböden, die zum Versinken einladen. Man sieht eine Hommage an das Silberfischchen und an die Dunkelheit von Badewannenuntergründen. Es wird die Geschichte von Robert Petee erzählt, einem amerikanischen Deserteur, der sich dreiundzwanzig Jahre in der Schöneberger Wohnung seiner Freundin versteckte. Es werden Beispiele imaginärer Fluchten gezeigt, etwa Bilder von Düsenjägern aus Papier und Fotos aus der Kollektion eines anonymen Bildforschers, der in einer Zeit, als das bundesrepublikanische Fernsehen nur zwei Kanäle kannte und damit warb, die Welt ins Wohnzimmer zu bringen, diese Welt aus dem stets gleichen Blickwinkel abknipste.
"Mein Zimmer, die Insel" - Tagesspielgel vom 31.07.2009